500 Jahre Pfarrei S. Gagl e S. Merens, Laax

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Lieber Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder

Wenn wir die Worte Jesu hören: «Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!», könnten wir im ersten Augenblick denken, dass es sich um einen gefährlichen Brandstifter handelt. Von welchem Feuer spricht Jesus?

Wir kennen die Kälte mancher Herzen; die Starre der Verschlossenheit einiger Charakteren, die laue Gleichgültigkeit manchen politischen Denkens. Ich meine, dass das Feuer, von dem Jesus spricht, das Feuer ist, das die Fähigkeit und die Kraft besitzt, all das zu überwinden. Das Feuer breitet sich aus. Das Feuer schmilzt das Eis. Das Feuer gibt Licht, das Feuer kann reinigen.

Wenn wir die geopolitische Lage der Welt betrachten, stellen wir fest, dass nicht alle bereit sind, Wärme aufzunehmen und Wärme auszustrahlen. Nicht alle suchen die Offenheit, den Dialog, die Geschwisterlichkeit, die Eintracht zu pflegen. Es gibt Arten zu denken, Weltanschauungen, politisches Handeln, die sozusagen feuerresistent sind, Herzen, die, wie in einem Panzer von Aramidfasern verschanzt, isoliert und verbarrikadiert bleiben. Wenn Jesus von seinem Feuer spricht, spricht er von der Kraft seiner Liebe, die alle diese Barrieren, Hindernisse, Mauern und Gitter zwischen den Menschen, zwischen Menschen und Gott beseitigen möchte. Er möchte uns motivieren und ermutigen, uns dazu bewegen, den andern entgegen zu gehen. Er spornt uns an, bereit zu sein, den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun. Er lädt uns ein, zu vergeben, Schritte der Zusammenarbeit, des Dienstwirkens, des Miteinanders, der wahren Geschwisterlichkeit zu wagen. Das Evangelium, das unser Heiland gepredigt und vorgelebt hat, ist eine ständige Einladung aus der Isolation, aus der eigenen Clique herauszubrechen und offen zu sein für andere Kulturen, Sprachen, Nationen, Religionen und Hautfarben.

Beim Hören des zweiten Teils des heutigen Evangeliums erschrecken wir vielleicht, wenn Jesus darüber spricht, dass er nicht Frieden, sondern Spaltung gebracht hat bzw. bringt, Zwietracht, Konfrontation und Kämpfe. Wie kann das sein? Ich meine, dass das nichts anderes ist, als eine sachliche, realitätstreue Analyse der Wirklichkeit. Von Anfang an wusste unser Heiland, dass die Frohbotschaft von einem in alle Richtung offenen Herzen, die Frohbotschaft von einer Liebe, die keine Diskriminierung kennt, die keine Ausnahme macht, die Frohbotschaft von einer Liebe, die alles verzeiht, eine Provokation sein würde. Er wusste von Anfang an, dass einige dieses Evangelium annehmen und andere es ablehnen und bekämpfen würden. Er wusste, was auf ihn zukam. Er wusste, dass er selber – und zwar an erster Stelle – die Ablehnung, den Widerstand und die Verfolgung erleben würde. Diese ernüchternde Analyse, die im heutigen Evangelium zur Sprache kommt, hat ihn aber nicht gelähmt, entmutigt oder gebremst, das Leben hinzugeben, um gerade diese gespaltene Situation auszusöhnen und zu erlösen. Sein heilendes Feuer war bereit, alle Spaltungen und Gegensätze zu überwinden. Das Feuer expandiert, ein Feuer, verschlossen in einer Flasche, erstickt und das Feuer des Himmels ist wie das Feuer des Dornbusches, der brennt, ohne zu verbrennen. Es ist das Licht, das immer leuchtet wie im ersten Augenblick der Geschichte, ohne an Energie einzubüssen. Das Feuer der göttlichen Liebe erhellt und kann Licht bringen in dunkelste und abgründige Umgebungen. Wir haben im Hebräerbrief gehört: «Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten.» Ist das nicht eine Einladung für uns, eine Einladung zur Nachfolge? Wenn wir alle Probleme im Kleinen und Grossen, die es in der Welt gibt, schmerzlich feststellen, die Kriege in unserer Welt, die Diskriminierungen, sollten wir nicht ermatten, sollten wir vielmehr erahnen, dass am Ende des Tunnels das Licht hell leuchtet, dass unser Erlöser uns vorangeht, der, wie er sagte: «Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt» (Joh 12, 46) und weiter sagte Jesus: «Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt» (Joh 9,5).

Damit ein Feuer Licht gibt, konsumiert es viel Brennstoff; Feuer als Quelle des Lichtes ist nicht rentabel, ist alles andere als ökologisch. Heutzutage sprechen wir vom Eco-Strom, von erneuerbaren Energien; von Solarenergie, die sozusagen direkt von der Quelle kommt, ohne die Umwelt zu belasten, ohne wegen Widerständen Effizienz einzubüssen. Dennoch: Selbst die Sonnenenergie könnte einmal ausgehen. Die Verbundenheit mit Gott aber, mit der Urquelle aller Energie und der unendlichen Liebe ist gratis, kostet also nichts, belastet die Welt nicht, sondern heilt die Welt, steht allen ohne Ausnahme zur Verfügung, bleibt Tag und Nacht offen – ohne Ende.

Im Herrn Geliebte, es gibt keine bessere Alternative für die Welt, als der Glaube. Wenn wir persönlich aus dieser Quelle schöpfen, sind wir auch unsererseits Licht und Wärme, Leben und Trost, Frieden und Heil, Glück und Freude für die Mitmenschen. Als Gläubige können wir die Umwelt schonendste, die sauberste und kostenlose Energie der Liebe für alle sein: «Ihr seid das Licht, der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben» (Mt 5,14).

Ich bin überzeugt, dass die Pfarrei Laax nach 500 Jahren nicht an Glaubenskraft eingebüsst hat. Dass sie heute – verbunden mit Jesus –frisch und unverbraucht, wirksam und kraftvoll für die Gegenwart und für die Zukunft sehr gut ausgerüstet ist. Mit Jesus in unserer Mitte bleiben wir eine kostbare Quelle für unsere Welt. Wir können eine fliessende Quelle des Friedens und der Eintracht, der Versöhnung und der Geschwisterlichkeit für alle Menschen in unserer Umgebung, für Menschen in der Nähe und Ferne sein.

Maria, die Mutter unseres Herrn, deren Aufnahme in den Himmel wir diese Woche feierten, ist die Trägerin des Lichtes schlechthin: Sie trug Christus, das Licht der Welt, in ihrem Schoss. So ist Maria für das Leben vieler Menschen Licht im Dunkel, Orientierung in der Verlorenheit, Trost in der Verzweiflung, Zuflucht für das Sündige und Dunkle in uns. Seien wir marianisch, Kinder unserer himmlischen Mutter. Vergessen wir nie den Auftrag ihres Sohnes: «Ihr seid das Licht der Welt!» Amen.

 

Laax, 17. August 2025

Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur

 

Laax - ruhig und friedvoll

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