«Krise ist Entwicklung, Konflikt Stillstand"

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Wie halten Untenehmen Kurs in Zeiten des ständigen Wandels? Bischof Joseph Maria Bonnemain gab am vergangenen Mittwoch Antworten darauf, indem er die Lehren von Kardinal John Henry Newman mit den vier Prinzipien des Papstes Franziskus geschickt miteinander verwob.

«Wenn ich einen Toast auf die Religion ausbringen müsste, würde ich auf den Papst trinken», zitierte  Joseph Maria Bonnemain gleich zu Beginn seines Vortrags in der Paulus Akademie den englischen Theologen und Kardinal John Henry Newman (1801-1890), «aber zuerst auf das Gewissen. Dann erst auf den Papst». Damit hatte der Churer Bischof die Aufmerksamkeit der rund 50 Zuhörerinnen und -hörer in der Zürcher Paulus Akademie sogleich bei sich und strich heraus, dass Newman heute so aktuell wie vor 150 Jahren sei. Es folgten zuerst noch ein paar Lacher, als er zugab, dass er eigentlich der falsche Referent in der Ladanyi-Reihe für das Thema «Kurs halten im Wandel. Grundlagen für eine tragfährige Unternehmensentwicklung» sei.

Der falsche Referent

«Ich bin ja weder Experte für Betriebswirtschaft noch für Volkswirtschaft», meinte der Bischof. Auch kein Chinaexperte, so knüpfen doch die Ladanyi-Vorlesungen in der Paulus Akademie an das Lebenswerk des ungarischen Jesuiten Laszlo Ladanyi SJ (1914 -1990) an, der mit seiner Zeitschrift «China News Analysis» der Wahrheit von Nachrichten über China auf den Grund gegangen ist. Nein, er sei eigentlich denkbar ungeeignet als Referent des heutigen Abends, so Bonnemain. Und er habe sich lange gegen die Einladung gewehrt, «aber in einem schwachen Moment habe ich zugesagt.»

Ganz so fehl am Platz waren dann seine Gedanken aber nicht, ganz im Gegenteil. Für die nächste Stunde nahm Bonnemain das Rednerpult gebührend in Beschlag. Und stellte gleich selber klar, dass die katholische Kirche schliesslich die älteste Organisation der Welt sei. «Und man müsste meinen, es wäre möglich, ihre Werte fruchtbar zu machen für die heutigen Unternehmen».

Newman und Papst Franziskus

Was folgte, war ein Wechselspiel zu Gedanken von Newman und Papst Franziskus« (1936 - 2025) vier Prinzipien, die da lauten: «Die Zeit ist grösser als der Raum», «die Realitäten sind grösser als die Ideen», «die Einheit siegt über den Konflikt» und «das Ganze ist grösser als der Teil». Letztere sind keine theoretischen Überlegungen, sondern gelten als Leitfäden für mehr Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und gegenseitige Achtung. Newman andererseits steht für eine Lehre des Gewissens, die eine gesunde Entwicklung eines Unternehmens gegenüber der Korruption vorzieht.  «Das Gewissen vor dem Papst», fasste Bonnemain nochmals prägnant zusammen.

Was bedeutet dies alles nun für Unternehmen? «Bei jedem Wachstum muss die Identität des Typus erhalten bleiben», sagte Newman. Für Bonnemain heisst das übersetzt auf das Unternehmertum, dass die vielbesagte heutige Diversifizierung auch Gefahren berge. Als langjähriger Seelsorge verwies er auf ein Beispiel aus dem Spital: «Ein Spital hat den Zweck, die Gesundheit zu erhalten.» Wenn das Angebot aber immer ausgeklügelter werde, kippe das ganze schon bald in den Themenbereich Hotellerie. Was für Bonnemain - immer nahe bei Newman - nicht gut ist. «Ein Institut sollte seinen Urzweck nciht verlieren.»

«Wie bei der Verdauung»

Eine andere Notwendigkeit sei das Assimilationsvermögen. «Es ist wie bei den Gedärmen und der Verdauung», sprach Bonnemain und griff offensichtlich zurück auf seine ursprüngliche Ausbildung als Mediziner und späterer Spitalseelsorger. «Was nicht vom Organismus aufgenommen wird, vergiftet ihn.» F¨ür Unternehmen gesprochen: «Sie müssen Neues aufnehmen, dürfen aber als Organismus nicht verfremdet werden». Mit dem Franziskus» Prinzip «Die Realitäten sind grösser als die Idee» verwies er schliesslich auf die Kirche. Man könne Arbeitsgruppen gründen, Kommissionen formieren - «doch ist das eine lebendige Kirche»? Immer wieder sei es wichtig, dass Prozesse nicht eingefroren würden, sondern offen, heisst «erfrischend und hoffnungsvoll» blieben. So auch prophetisch.

Hier brachte Bonnemain wiederum ein Beispiel aus einer Zeit im Spital. «Es brauchte vier Anläufe, bis das Spital Limmattal schliesslich neu gebaut wurde», bemerkte Bonnemain. Doch noch vor dem Bau habe man ein Musterzimmer eingerichtet, das alle 1200 Mitarbeitenden anschauen konnten. «Wie ein Vorgeschmack, ein Bonbon» konnte man träumen, wie es sein könnte. «Wir brauchen Propheten», so der Bischof. Dann nahm er Bezug auf das laufende Bistumsjahr mit dem Motto «hören, handeln, hoffen». Auch hier sei es wichtig, die Frage offen zu lassen. «Wohin könnte die Kirche gehen». Das sei Antizipation der Zukunft, so Bonnemain.

In der anschliessenden Fragerunde wollten die Zuhörenden Konkretes erfahren. Wie geht Joseph Bonnemain persönlich mit Rückschlägen um? Wie politisch soll Kirche sein? Gilt es beim Zusammenkommen in der Kirche, also gerade bei den drei Bistumstagen, nicht eben darum, Räume zu besetzen, als Heimat? Ganz so konkret wollte ernicht werden. Aber: «Immer in der Bodenhaftung bleiben», riet der Bischof, keine «muskulöse» Kommunikation anwenden, sprich narzisstisch auftreten, und: «Die Einheit wiegt immer mehr als der Konflikt». Dabei spreche er sich aber nicht aus gegen die Krise. «Aus der Krise kann Wachstum entstehen», so Bonnemain, «Konflikte aber führten zu verhärteten Positionen, also letztlich Stillstand.» Das wäre falsch, in den Augen des Bischofs müsste jede und jeder so ticken, als wäre er «auf Entdeckungsreise.»

 

Chur, 4. Juli 2025

Manuela Moser
Informationsbeauftragte des Generalvikars
Generalvikariat für die Bistumsregion Zürich-Glarus (Bistum Chur)

 

Fotos: Manuela Moser

Originalquelle: zhkath.ch

 

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